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Konflikte zwischen Polizei und Fotografen bei Demonstrationen

(Bearbeitet von Andreas Peya)

1. Problemstellung

Die Berichterstattung und Dokumentation über (gewalttätige) Demonstrationen wurde in den letzten Jahren mehrfach dadurch behindert, daß die Polizei das Fotografieren verhinderte. Insbesondere dann, wenn die Polizei den Eindruck hatte, daß die Aufnahmen auf einzelne Polizisten zielten, wurden Kameras abgenommen, Filme an Ort und Stelle belichtet, etc. Daß die Presse durch diese Vorgehensweise in ihrer Arbeit stark beeinträchtigt wird, ist unübersehbar. Das Thema ist deshalb bereits des öfteren Gegenstand von Diskussionen in der d.r.f. gewesen.

Hiervon zu unterscheiden ist allerdings der Problemkreis des Zeugnisverweigerungsrechts und Beschlagnahmeverbots. In diesem Problemkreis geht es um den Konflikt zwischen den Interessen der Strafverfolgung und den Interessen der Presse, wenn (Bild-)Journalisten Kenntnisse oder Unterlagen haben, die die Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von durch Dritte begangenen Straftaten benutzen will. Fotografen haben etwa gewalttätige Demonstranten fotografiert, mit einem flüchtigen Straftäter gesprochen, etc. Polizei und Staatsanwaltschaft wollen bei dieser Konstellation nun zum Zwecke der Strafverfolgung auf diese Materialien zurückgreifen.

2. Der Kern des Konflikts

Die rechtliche Grundlage für ein derartiges Vorgehen wird im Kunsturhebergesetz (KUG) gesehen. Danach stehe auch Polizisten ein Recht am eigenen Bild gem. § 22 KUG zu. Dieses Recht werde beeinträchtigt, da die Ausnahmetatbestände des § 23 KUG nicht eingreifen würden. Zudem wird darauf verwiesen, daß das Recht am eigenen Bild als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) durch Verfassungsrecht geschützt werde.

Diese Argumentation kann durchaus überraschend sein. Der Konflikt zwischen Polizei und Fotografen, dessen Lösung man im Polizei- bzw. Versammlungsrecht ansiedeln könnte, wird zu einem privaten Konflikt zwischen dem Fotografen und dem Staatsbürger, der eher zufällig eine Uniform trägt. Bekanntlich regelt das KUG Konflikte zwischen Privatpersonen. Bei der in Frage stehenden Konstellation ist es keineswegs so, daß der einzelne Polizist als Privatperson (im Zweifel mit Hilfe der Gerichte) sich gegen die Beeinträchtigung seiner privaten Rechte wehrt oder zumindest öffentliche Stellen um Hilfe bittet. Vielmehr geht die Aktion zumeist von der jeweiligen Polizeiführung aus. Diese ermuntert ihre Beamten, von deren Recht am eigenen Bild Gebrauch zu machen und es dann schließlich mit Hilfe polizeilicher Mittel umzusetzen. Damit stehen nicht die privaten Interessen des Polizisten, sondern die öffentlichen Interessen eines effektiven Polizeieinsatzes im Vordergrund.

Zwar spielt mittelbar die Situation des einzelnen Polizisten eine Rolle, letztlich überwiegt aber der öffentlich-rechtliche Charakter die Situation. Dabei ist die Frage der Zuordnung zum öffentlichen Recht nicht eine bloße Frage der Terminologie bzw. des Rechtswegs, sondern hat konkrete materielle Implikationen.

Ist es einer Privatperson nämlich möglich, in Aufnahmen einzuwilligen oder sie auch aus völlig willkürlichen Gründen zu verweigern, kann das für einen Polizisten in Ausübung eines öffentlichen Amtes nicht zutreffen. Der Polizist muß vielmehr Unannehmlichkeiten hinnehmen, die eine Privatperson nicht hinnehmen muß. Ebensowenig ist eine Einwilligung für einen Polizisten ohne weiteres möglich. Im Zweifel gehen öffentliche Interessen, die einer Aufnahme entgegenstehen, vor. Bei der Problematik geht es also um den Ausgleich verschiedener öffentlicher Interessen. Eine Lösung der Frage, inwieweit Polizisten (etwa auf Demonstrationen) fotografiert werden dürfen, kann daher mit der Hilfe einer auf private Konflikte zugeschnittenen Regelungen der §§ 22, 23 KUG nur sehr schwer erreicht werden.

Das eigentliche Problem, und insoweit der Kern des Konflikts, ist damit der Gegensatz zwischen dem Interesse der Presse und der Funktionsfähigkeit und Effektivität der Polizei.

Daraus ergibt sich, daß eine bloße Unannehmlichkeit kein Grund für ein Fotografiergebot sein kann. Anders wird man allerdings argumentieren können, wenn das Fotografieren von Polizisten zu konkreten Gefahren für diese führt. Unter diesen Voraussetzungen ist die bereits erwähnte Effektivität des Polizeieinsatzes nicht mehr gewährleistet. Ob solche Gefahren jedoch konkret bestehen, erscheint überwiegend zweifelhaft. Der Gedanke der Gefährdung erscheint zwar plausibel, hinreichende Beweise für sein tatsächliches Vorliegen sind aber nirgends zu finden. Der Umstand, daß ein Foto eines Polizisten im Einsatz mit einem kritischen Kommentar versehen wird, kann noch keine ausreichende Begründung sein. Teilweise wird ein Vergleich zu Namensschildern von Polizisten herangezogen, die mittlerweile in den USA allgemein üblich sind. Jedoch ist auch im Fall der Namensschilder kein Fall bekannt, der zu einer konkreten Gefahr für einen Polizisten geführt hat. Damit wird man wohl sagen können, daß die Veröffentlichung von Polizeifotos zunächst einmal hingenommen werden muß. Es versteht sich von selbst, daß ein möglicher Begleittext natürlich nicht diffamierend sein noch zu Straftaten aufrufen darf.

Grundsätzlich lietgt eine großzügige Handhabung der Veröffentlichenung von Fotos über Polizeieinsätze auch im Interesse der Polizei selbst. So hat die Polizei die Chance, einen guten Kontakt zur Öffentlichkeit herzustellen, da es sich dem Grundsatz nach um eine Einrichtung zum Schutz der Bürger handelt. Wird die Arbeit von Fotografen behindert, gewinnen sowohl die Fotografen als auch die Bürger den Eindruck, daß die Polizei etwas zu verbergen hat. Insofern ist der langfristige Schaden der Polizei jedenfalls größer als der möglicherweise kurzfristige Nutzen.

3. Die Zulässigkeit nach dem KUG

Die Frage des Fotografierens von Polizisten läßt sich damit durch eine öffentlich-rechtliche Regelung angemessen lösen. Wo eine solche, aus welchen Gründen auch immer, nicht existiert, muß weiterhin auf die Vorschriften des KUG zurückgegriffen werden, die dann jedenfalls wichtige Anhaltspunkte zur Lösung des Konflikts liefern können.

Gemäß § 22 KUG ist das Verbreiten der Abbildung einer Person ohne oder gegen den Willen des Abgebildeten unzulässig. Davon wird gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG eine Ausnahme gemacht, wenn es um Bildnisse aus dem Bereich der Zeitgeschichte geht. Darunter fallen zunächst Bildnisse von sog. absoluten Personen der Zeitgeschichte, d. h. von allgemein bekannten Persönlichkeiten. Erfaßt werden aber auch relative Personen der Zeitgeschichte, d. h. an sich unbekannte Personen, die durch ein besonderes Ereignis in das Blickfeld der Öffentlichkeit geraten sind. Die bloße Sensationslust der Öffentlichkeit genügt hierfür aber nicht. Vielmehr ist ein berechtigtes Interesse an der Information über Ereignis und Person notwendig. An der Abbildung von Polizisten besteht ein solches berechtigtes Interesse, wenn und solange sie in Ereignisse verwickelt sind, die die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit nach sich ziehen. Polizeieinsätze aufgrund von Demonstrationen sind regelmäßig solche Ereignisse. Dieses berechtigte Interesse bedeutet allerdings nicht, daß damit Aufnahmen von Polizisten ausnahmslos möglich sind.

Gemäß § 23 Abs. 2 KUG ist die Verbreitung solcher Aufnahmen dann unzulässig, wenn berechtigte Interessen des Abgebildeten entgegenstehen. Insofern kommt es auch hier auf eine Abwägung zwischen den Interessen der Öffentlichkeit an Information und den Interessen des Betroffenen an. Es stehen sich also die Informations- und Pressefreiheit einerseits und das Persönlichkeitsrecht andererseits gegenüber.

Erschöpft sich die Tätigkeit der Polizei in der Begleitung eines friedlichen Demonstrationszuges, besteht an der Verbreitung von Bildern einzelner oder weniger Polizisten kein überwiegendes öffentliches Interesse, wie im übrigen auch nicht an der Verbreitung von Aufnahmen einzelner "normaler" Demonstranten. Dem Informationsbedürfnis der Öffentlichkeit läßt sich durch Aufnahmen des Gesamtvorgangs oder größerer Ausschnitte ausreichend Rechnung tragen.

Anders sieht die rechtliche Situation aber aus, wenn der Polizeieinsatz selbst zum die Öffentlichkeit berechtigterweise interessierenden Ereignis wird, insbesondere dann, wenn es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der Polizei und Demonstranten kommt. In einem solchen Fall muß sich die Öffentlichkeit über solche Einsätze ein eigenes Urteil fällen können. Das setzt genaue Informationen voraus, und damit auch Aufnahmen von einzelnen Polizisten (wie auch Demonstranten), die in Gewalttätigkeiten verwickelt sind. Unter diesen Voraussetzungen können auch Bilder von Polizisten "im Einsatz" verbreitet werden.

Von solchen Aufnahmen einzelner oder eines Polizisten im Rahmen von die Öffentlichkeit interessierenden Ereignissen sind aber wiederum reine
Portraitaufnahmen zu unterscheiden, bei denen kein Bezug mehr zu dem jeweiligen Ereignis zu erkennen ist. Für die Veröffentlichung solcher Bilder besteht generell kein berechtigtes Interesse. Aus ähnlichen Erwägungen heraus dürften solche Aufnahmen nicht durch das KUG gedeckt sein, die mit dem betreffenden Ereignis in keinem Zusammenhang stehen. So ist es (zumindest juristisch) nicht vorstellbar, eine allgemeine Reportage über die Polizei mit den Bildern einzelner, individuell erkennbarer Polizisten beim Einsatz gegen Demonstranten zu versehen. Selbstverständlich ist jede beleidigende oder verleumderische Bildberichterstattung unzulässig.

4. Die Zulässigkeit präventiver Maßnahmen

Die Grenzen der Bildberichterstattung, die durch das KUG gezogen werden, betreffen nach dem Wortlaut des Gesetzes nur die Verbreitung und die Zurschaustellung, nicht aber die bloße Herstellung. So ist die bloße Bildaufnahme nicht nach § 33 Abs. 1 KUG mit Strafe bedroht.

Damit stellt sich die für die Praxis wichtige Frage, ob gegen rechtswidrige Veröffentlichungen von Polizeifotos präventiv vorgegangen werden kann oder ob der Polizei lediglich repressive Maßnahmen zur Verfügung stehen. D. h. kann die Polizei Aufnahmen verhindern bzw. Aufnahmen beschlagnahmen, die zu rechtswidrigen Veröffentlichungen führen ?

Diese Fragen werden im juristischen Schrifttum oft bejaht. Dazu werden folgende Argumente vorgetragen: Erstens sei bereits eine solche, rechtswidrigen Veröffentlichungen dienende Aufnahme ein Verstoß gegen das Persönlichkeitsrecht und folglich ihrerseits selbst rechtswidrig. Weiterhin kann man anführen, dass in einer solchen Aufnahme bereits die (konkrete) Gefahr der Veröffentlichung und damit einer Rechtsverletzung zu sehen ist; in einem solchen Fall wäre dann das Einschreiten der Polizei legitim.

Ein präventiver Polizeieingriff erscheint aber bei näherem Hinsehen als durchaus problematisch. Aufnahmen von Polizisten werden nur dann für die Presse wie für die Polizei interessant, wenn die Polizisten in ein aufsehenerregendes Ereignis verwickelt sind. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Polizisten auf dem Foto erkennbar unmittelbare Gewalt anwenden. In einem solchen Fall läßt sich aber so gut wie nie eindeutig klären, ob die Aufnahme für eine rechtswidrige Veröffentlichung benutzt wird oder nicht. Für mögliche Alternativen fehlen im Zeitpunkt des Polizeieinsatzes die Anhaltspunkte. Wenn sie sich nicht ganz ausschließen lassen, ist es unter diesen Umständen doch zulässig, auch einzelne Polizisten im Einsatz zu fotografieren. Dabei sind echte Portraitaufnahmen höchst unwahrscheinlich. Die Absicht, später portraitartige Ausschnittsvergrößerungen zu machen, läßt sich im Zeitpunkt der Aufnahme nicht feststellen. Welcher Ausschnitt fotografiert wird, läßt sich praktisch nicht beurteilen, berücksichtigt man die Möglichkeiten von besonderen Objektiven und die Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung. Insoweit kann für die Polizei nur der ungesicherte Verdacht bestehen, daß die Aufnahmen zu rechtswidrigen Veröffentlichungen führen werden. Allerdings kann auch nach herrschender juristischer Ansicht ein ungesicherter Gefahrenverdacht gelegentlich zu polizeilichen Aktionen berechtigen. Ohne auf nähere Details einzugehen läßt sich damit festhalten, daß vorläufige Maßnahmen zur Gefahrenstellung möglich sind. Insofern könnte man auf den Gedanken kommen, daß eine Beschlagnahme bzw. Sicherstellung von Filmen also doch zulässig sein könnte.

Diesem Gedanken lassen sich aber wichtige Argumente entgegehalten: Die Beschlagnahme von Filmen ist wegen des Zeitdrucks der Presse meist nicht als vorläufige, sondern als endgültige Maßnahme anzusehen. Hiergegen bestehen aber verfassungsrechtliche Bedenken. Bei der Beschlagnahme von Filmen aufgrund eines ungesicherten Verdachts und deren anschließende Kontrolle stellt eine Art "Vorzensur" dar. Wenn also ohne hinreichenden Tatverdacht die Veröffentlichung von einer behördlichen Vorprüfung abhängig gemacht wird, hat das in der Praxis den Effekt eines Veröffentlichungsverbots. Eine Vorzensur wird aber durch Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG verboten.

Also kann allein dort, wo konkrete Verdachtsmomente bestehen, im Einzelfall im vorhinein durch die Polizei vorgegangen werden. Dies hat zur Folge, dass präventive Maßnahmen der Polizei bei oder nach dem Fotografieren von Polizisten in den praktisch interessierenden Fällen grundsätzlich ausgeschlossen sind. Bei Aufsehen erregenden Ereignissen, insbesondere bei gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten, sind – jedenfalls juristisch - die Grenzen des Fotografierens von Polizisten so weit gesteckt, daß ein gesicherter Schluß auf eine rechtswidrige Veröffentlichung im Zeitpunkt des polizeilichen Einsatzes nicht möglich ist. Insofern sind auch präventive Maßnahmen wie die Sicherstellung von Filmmaterial nicht zulässig.

Abschließend bleibt anzumerken, daß es sich hierbei um juristische Überlegungen handelt, die in der täglichen Praxis sicher relativiert werden müssen. Eine Diskussion mit der Polizei im konkreten Einzelfall während eines Einsatzes hat sicherlich nur einen geringen Erfolg. Dieser Beitrag soll deshalb auch vielmehr dazu dienen, grundsätzliche Verhaltensweisen im Vorfeld und möglicherweise nach einem solchen Fotoshooting zu beleuchten.

Ich hoffe, diese Zusammenfassung leistet einen ersten Anfang zu weiteren Diskussionen. Über Anregungen und (sachliche) Kritik freue ich mich immer.



Andreas Peya

Institut für öffentliches Wirtschaftsrecht an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster.